Einmal wurde mir Olympia gestohlen

Es war der größte Betrug in der Geschichte der Sportgerichtsbarkeit, der einem Athleten jemals widerfahren ist. Das wusste ich mit der Urteilsverkündung am 2. Juli 2009, mit dem der Eisschnelllauf-Weltverband ISU mir die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver gestohlen und im wahrsten Sinne des Wortes die Beine weggerissen hat. Als mein Manager Ralf Grengel mir am 2. Juli 2009 die Nachricht überbringt, dass ich für zwei Jahre gesperrt bin, klappe ich zusammen. Einfach so, meine Beine halten mich nicht mehr und ich breche im Garten meines Hauses in Diensdorf zusammen.

Verurteilt. Gesperrt. Geächtet. Öffentlich hingerichtet. Weswegen? Wegen nichts! Das weiß ICH ganz genau. So gut wie kein anderer Mensch auf der Welt. Und dennoch gibt es damals einige ISU-Funktionäre, -Mediziner und sogenannte Experten, die mich wegen (angeblichen) Dopings verurteilen. Aber nicht etwa, weil man in meinem Körper eine verbotene, leistungssteigernde Substanz gefunden hat. Sondern nur deshalb, weil man meint, ein von der Norm abweichender Wert in meinem Blut (Retikulozyten = junge rote Blutkörperchen) sei nur dadurch zu erklären, dass ich gedopt haben müsste. Als der internationale Sportgerichtshof CAS in seinem Urteil vom 25. November 2009 mit der gleichen Meinung die zweijährige Sperre gegen mich bestätigt, bin ich ganz offiziell als „Dopingsünderin“ gebrandmarkt. Vom Olymp in die Hölle – nur weil sich vom IOC gesteuerte Anwälte, die sich im CAS-Verfahren als Richter aufspielen dürfen, es für wahrscheinlicher halten, dass mein von der Norm abweichende Retiwert eher durch Doping als durch eine Blutanomalie verursacht worden ist.

Dass dieser Retiwert immer mal wieder von der Norm abweicht, auch nach meiner Sperre durch die ISU (und heute selbstverständlich auch noch), interessiert die „Richter“ nicht. Dass es Gutachter gibt, die darauf hinweisen, dass vieles für eine Blutanomalie als Ursache spricht, auch nicht. Im Gegenteil: Einige Gutachter, die diese Meinung vertreten, werden entweder vom „Gericht“ nicht zugelassen, oder von der ISU vor dem CAS-Verfahren vorsorglich ausgeladen. Es wird alles, wirklich alles getan, um das Urteil gegen mich durchwinken zu können. Denn die Herren Sportfunktionäre können sich es nicht erlauben, beim ersten Prozess der „indirekten Beweisführung“ kläglich zu scheitern. Im Sinne des Anti-Dopingkampfes, versteht sich. Schließlich kann ich ja (damals noch) nicht beweisen, dass tatsächlich eine Blutanomalie Ursache für meine Reti-Werte ist.

Diesen Beweis gibt es „erst“ seit August 2010, als der Münchner Hämatologe Prof. Stefan Eber und seine Ulmer Kollegin Prof. Elisabeth Kohne bei mir „eindeutig nachweisbare erythrozytäre Veränderungen“ diagnostizieren. „Der Nachweis identischer Veränderungen beim Vater ist ein Beweis für die Tatsache, dass es sich um vom Vater vererbte Defekte der roten Blutzellen handelt, die nicht durch äußere Einflüsse, auch nicht durch Dopingmittel hervorgerufen werden können“, so die Blutexperten weiter.

Was ich vom ersten Tag an gewusst habe, wird auch für alle anderen, die der Dopingthese von ISU und CAS Glauben schenken wollten, nach und nach immer offensichtlicher. So offensichtlich, dass auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) reagiert und eine fünfköpfige Expertenkommission aus Medizinern und Anti-Doping-Experten beauftragt, meinen Fall zu überprüfen. Fragestellung: Kann anhand meiner Blutwerte ein Dopingnachweis geführt werden? Das Ergebnis ist eindeutig und einstimmig. Nein, kann es nicht! DOSB-Präsident Alfons Hörmann tritt daraufin vor die Presse und rehabilitiert mich öffentlich. Er erklärt, dass mir großes Unrecht widerfahren ist und dass ich Oper und nicht Täter bin.
Sein Statement im Video:

Video mit DOSB-Präsident Alfons Hörmann

Seit dem 29. Januar 2015 bin ich somit offiziell rehabilitiert. Juristisch warte ich allerdings immer noch auf Gerechtigkeit. Denn im Sportecht gibt es keine Chance auf ein Wiederaufnahmeverfahren. Kann Unrecht größer sein?

Über meine Schadensersatzklage gegen die ISU ist noch nicht entschieden. Zunächst muss geklärt werden, ob ich als deutsche Staatsbürgerin um mein Recht vor einem deutschen Gericht kämpfen darf, so wie es im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert ist.

Oder ob ich mich der Willkür der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen muss. Die von mir im Gegenzug für mein Startrecht verlangt, auf den Gang vor ein Zivilgericht zu verzichten.

Das letzte Wort hierzu hat das Bundesverfassungsgericht.